Lemniskaten-Wanderung in Gardelegen
Quelle: Altmark Zeitung Gardelegen (21. Juli 2025)
Tür ins Ritual „Spalt breit geöffnet“
Gardelegener Freimaurer luden Interessierte zu einer besonderen Zeremonie ein
Gardelegen – „Zweiter Aufseher, warum sind wir hier versammelt?“, fragte Hans-Herbert Müller. „Sehr ehrwürdiger Meister, wir sind hier zusammengekommen, um denTeilnehmen-den die Ziele unseres Bundes näher zubringen“, antwortete Hartmut Schrader-Bölsche. In der Gardelegener Nikolaikirche saßen die beiden Brüder der Gardelegener Freimaurerloge „DreiTürme im Hopfenfeld“ mit weiteren Brüdern dieser und anderer Freimaurerlogen, aber auch mit Frauen und Männern zusammen, die nichts mit den Freimaurern zu tun haben. Und dies kommt sonst eher nicht vor, denn schließlich ist die Freimaurerloge eine geschlossene Gesellschaft, dazu auch noch ausschließlich für Männer. Doch am Samstag war es anders –alle Interessierten waren zu einer sogenannten Lemniskatenwanderung eingeladen, zu der eine Zeremonie gehörte, die den Anwesenden „einenSpaltbreit die Tür geöffnet hat“ zu den Ritualen der Freimaurer, wie Gardelegens Meister vom Stuhl Guido Steffen erklärte.

Als Meister führte Hans-Herbert Müller ein Wechselgespräch mit zwei Aufsehern über die Bedeutung der Zeremonie.
„Das Zeremoniell ist ein Auszug von dem, was wir in unseren monatlichen Treffen machen“,erklärte Hans-Herbert Müller im Gespräch mit der AZ. Eigentlich heißt es bei den Frei- maurern Ritual, doch dieses ist „umfangreicher und intensiver“, so Müller, als das, was den Teilnehmenden amSamstag präsentiert werden durfte. Bevor es losging, war die Gruppe erst auf einem Spaziergang und dann noch in der Marienkirche, wo Jürgen Bajerski über die Geschichte und den Marienaltar berichtete, dessen Restaurierung die Gardelegener Freimaurer mit einer Spende von 1000 Euro mitfinanzieren.
Was bedeutet Lemniskatenwanderung eigentlich? Das klärten Hans-Herbert Müller und die beiden Aufseher Dirk Kuke und Hartmut Schrader-Bölsche, mit denen er für die Zeremonie ein Wechselgespräch geführt hat, auf. „Die Lemniskate hat die Form einer liegenden Acht und wurde im 17.J ahrhundert von dem englischen Mathematiker John Wallisals Symbol für die Unendlichkeit eingeführt“, erklärte Dirk Kuke. Die Lemniskate fand sich auch in einer Schnur mit 12 Knoten, die die 12 Monate symbolisieren, wieder. Diese Knoten waren als Lemniskaten geknotet. Die Schnur wurde von Helfried Klünder-Seiler, dem Zeremonienmeister, in derMitte des Raums auf einer Platte erst zu zwei Dreiecken gelegt, entlang derer er mit Kreide ein Rechteck nachmalte, und dann in das Rechteck hineingelegt. Mit diesem Rechteck wurde das Abbild des salomonischen Tempels geschaffen. Eine senkrechte Linie im oberen Teil des Rechtecks führt ins Licht, also dem Ort der Erkenntnis, der Klarheit sowie der höchsten Instanz, die die Freimaurer den „großen Baumeister“ nennen. Ein O über dem Rechteck symbolisierte den Osten, da hier nach der Finsternis der Nacht das Licht erscheint. In den Tempel gelegt wurde eine Sonne als Symbol der Schöpfung und als Ursprung des Lichts der Aufklärung. Ein Zirkel stand für das
Geistige, der dabei hilft, das Verhältnis zur Welt und den Menschen auszurichten. Und schließlich komplettierte die Arbeitsplatte ein Winkelmaß als Symbol für das Irdische und Materielle. Es hilft dabei, „an uns zu arbeiten und unsere Handlungen rechtschaffen auszurichten“, erklärte Guido Steffen als Distriktredner.

Zermonienmeister Helfried Klünder-Seiler legte in der Nikolaikirche die Symbole eines freimaurerischen Arbeitsteppichs. Alles darauf hat eine bestimmte Bedeutung. HANNA KOERDT (2)
Geleitet werden die Freimaurer entgegen aller Verschwörungserzählungen von den Werten Gerechtigkeit, Besonnenheit, Zuverlässigkeit als Freund, Ehrfurcht vor Geist und Natur und einer hochherzigen Gesinnung wie auch der Lauterkeit des Charakters. Mit Hammer-schlägen und dem Erlöschen dreier Kerzen, die die Stärke in der Liebe, die Weisheit im Licht und die Schönheit im Licht symbolisierten, endete die Zeremonie. Sie wird als Teil eines Rituals von etwa 12.000 Freimaurern der größten Großloge Deutschlands, der auch die Gardelegener angehören, durchgeführt. Andere Logen haben andere Rituale, aber „eine Jungfrau geröstet oder Schlangenblut getrunken“ werde auf keiner von ihnen, schmunzelte Guido Steffen. HANNA KOERDT

